Freeride, Tourenski, Ski, Snowboard | 11.02.2022

Lawinenwarnstufen und Lawinenlagebericht verstehen

Philippe Moreau
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Du planst eine Skitour, eine Schneeschuhwanderung, ein Freeride-Abenteuer oder sonstige Wintersportaktivitäten im alpinen Gelände? Dann solltest du unbedingt vorab den Lawinenlagebericht checken. 

Lawinenkunde ist Neuland für dich? Das trifft sich gut! Denn auf dieser Seite lernst du die Basics über Lawinenwarnstufe und Co. kennen. Und du erfährst, wie du die Infos richtig liest, verstehst und interpretierst.

Was ist der Lawinenlagebericht?

Der Lawinenlagebericht informiert über die aktuelle Lawinensituation in Zusammenhang mit den lokalen Wetter- und Schneeverhältnissen. Er gilt immer für ein größeres Gebiet (mind. 100 km2). Ziel ist es, Menschen über die drohende Lawinengefahr zu informieren und sie vor Lawinen zu schützen.

Erstellt wird der Lawinenbericht (Schweiz: Lawinenbulletin) von regionalen oder nationalen Lawinenwarndiensten – üblicherweise in den Wintermonaten bzw. so lange auf den Bergen Schnee liegt. Einen Überblick über die allgemeinen Dienste der einzelnen Länder bietet der Europäische Lawinenwarndienst EAWS.

Die Grundlage für die erhobenen Daten bildet jeweils ein regionales Netz aus Messstationen. Allein im österreichischen Tirol gibt es rund 180 davon. Zusätzlich erstellen Experten Schneeprofile, erkunden das Gelände und ziehen Infos von externen Beobachtern hinzu. Aus all diesen Daten wird eine Art Mittelwert für die Region errechnet.

© Tim Marcour
© Tim Marcour

Welche Infos liefert er?

Der Lawinenlagebericht ist also die Basis für eine gründliche Gefahreneinschätzung der aktuellen Situation – abgeleitet aus Wetterentwicklung und Schneedeckenaufbau. Er beantwortet unter anderem folgende Fragen:

  • Wie groß ist die Lawinengefahr? (Lawinenwarnstufe)
  • Wo können Lawinen abgehen? (Gefahrenstellen)
  • Was ist die Haupt-Gefahrenquelle? (Lawinenproblem)

Dank des Zusammenschlusses EAWS (European Avalanche Warning Services) gibt es europaweit gemeinsame Standards für Lawinenwarnberichte. Darunter findet sich auch die Skala für die Lawinengefahrenstufe und die Einstufung von Lawinenproblemen. Auch der Aufbau der Berichte ist pro Land ähnlich. Vorbild ist die Informationspyramide („Das Wichtigste zuerst“ bzw. „Von einfach bis schwierig“):

  1. Lawinenwarnstufe
  2. Gefahrenquellen
  3. Gefahrenstellen
  4. detaillierte Beschreibung der Gefahren
  5. zusätzliche Infos zu Wetter, Schneedeckenaufbau und Tendenz

Einfach zu verstehen

Der Kopfteil des Lawinenlageberichts bildet Zahlen, Symbole und Karten ab. So können selbst Unkundige und Personen, welche die jeweilige Sprache nicht sprechen, die wichtigsten Aspekte erfassen. Das ist allerdings nur die halbe Miete. Vielmehr geht es darum, jene Informationen herauszulesen, die für die individuelle Tourenplanung sowie für Entscheidungen während der Tour relevant sind.

© Tim Marcour

Die fünf Lawinenwarnstufen und ihre Bedeutung

Wie hoch ist die allgemeine Lawinengefahr in der Gesamtregion? Diese Frage beantwortet die Lawinenwarnstufe auf den ersten Blick. Sie ist international einheitlich und wird anhand einer Skala von 1 (gering) bis 5 (sehr groß) eingestuft.

Die Lawinengefahrenstufe setzt sich aus folgenden Einflussfaktoren zusammen: 

  • Schneedeckenstabilität
  • Auslösewahrscheinlichkeit
  • Umfang der Gefahrenstellen
  • Art und Größe der zu erwartenden Lawinen

Dabei gilt: Je höher die Warnstufe, desto instabiler ist die Schneedecke, desto mehr Gefahrenstellen lauern, desto geringer ist die ausschlaggebende Zusatzbelastung für die Auslösung einer Lawine und desto wahrscheinlicher sind große Lawinen. 

Stufe 1: gering (grün)

  • Schneedecke: gut verfestigt und stabil
  • Lawinenauslösung: nur bei großer Zusatzbelastung an vereinzelten Stellen im extremen Steilgelände; spontane Rutsche und kleine Lawinen möglich

Stufe 2: mäßig (gelb)

  • Schneedecke: an einigen Steilhängen mäßig, allgemein gut verfestigt
  • Lawinenauslösung: insbesondere bei großer Zusatzbelastung, vor allem an den angegebenen Steilhängen möglich; große, spontane Lawinen nicht zu erwarten

Stufe 3: erheblich (orange)

  • Schneedecke: an vielen Steilhängen nur mäßig bis schwach verfestigt
  • Lawinenauslösung: bereits bei geringer Zusatzbelastung vor allem an den angegebenen Steilhängen möglich; fallweise spontan mittlere, vereinzelt aber auch große Lawinen möglich

Stufe 4: groß (rot) 

  • Schneedecke: an den meisten Steilhängen schwach verfestigt
  • Lawinenauslösung: bereits bei geringer Zusatzbelastung an zahlreichen Steilhängen wahrscheinlich; fallweise spontan viele mittlere, mehrfach auch große Lawinen zu erwarten

Stufe 5: sehr groß (dunkelrot)

  • Schneedecke: allgemein schwach verfestigt und weitgehend instabil
  • Lawinenauslösung: spontan viele große und auch sehr große Lawinen zu erwarten, auch in mäßig steilem Gelände; kommt äußerst selten vor

Hinweise zur Interpretation der Lawinengefahrenstufe

Die Lawinenwarnstufe dient in erster Linie der individuellen Risikoeinschätzung. Grundsätzlich kann man sich bei geringer Lawinengefahr guten Gewissens auf bekannte Routen begeben. Bei hoher Lawinengefahr hingegen ist besonders gründlich abzuwägen, ob die Durchführung einer Tour überhaupt verantwortbar ist. Das gilt selbst für erfahrene Alpinsportler.

Am schwierigsten fällt die Entscheidung bei den Stufen zwei und drei. Hier ist es unerlässlich, die Details des Lawinenlageberichts heranzuziehen und in Hinblick auf die geplante Route genau zu analysieren: Welche Höhenlagen und Hangrichtungen sind als kritisch einzustufen? Welche Art von Lawine ist wahrscheinlich, und wie kann ich eine Auslösung verhindern?

Achtung: Die Lawinengefahr kann innerhalb einer Gefahrenstufe unterschiedliche Ausprägungen haben. Die Lawinenwarnstufe wird üblicherweise regional differenziert. Oft gibt es eigene Angaben für unterschiedliche Höhenlagen (z. B. über und unter 2.000 m) oder Tageszeiten (z. B. Vormittag/Nachmittag).

© Tim Marcour
© Tim Marcour

Gefahrenstellen

Wo in der jeweiligen Region können Lawinen abgehen? Diese Frage beantwortet der Lawinenlagebericht anhand von Gefahrenstellen. Dazu findest du symbolische Angaben bezüglich Höhe (Höhenmeter) und Exposition (Nord-Ost-Süd-West). Sie definieren, in welchen Geländebereichen bzw. Hangexpositionen die Lawinengefahr erhöht ist. Die sogenannten Kernzonen sind schwarz eingefärbt.

In der Beschreibung wird etwa auf Steil- oder Schattenhänge, kammnahes Gelände oder Übergänge von wenig zu viel Schnee hingewiesen. Diese Informationen sind natürlich nur dann von Nutzen, wenn man die beschriebenen Stellen im Gelände erkennt und umgeht.

Unter die Thematik der Gefahrenstellen fallen auch die Punkte Schneedeckenaufbau und Zusatzbelastung für eine Lawinenauslösung. Hier geht es darum, bei Touren die richtigen Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Je nach Situation kann man kritische Stellen alleine oder in der Gruppe mit und ohne Abstände zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern begehen oder befahren.

© Tim Marcour

Gefahrenquellen

Was ist das Lawinenproblem? Oder in anderen Worten: Worin besteht die momentan vorherrschende Hauptgefahr? Die Angabe der Gefahrenquellen soll helfen, das Risiko im Gelände zu erkennen und einzuschätzen. Dazu wurden europaweit einheitliche Lawinenprobleme definiert: 

  • Neuschnee: aktuelle Schneefälle oder kürzlich gefallener Neuschnee
  • Triebschnee: vom Wind verfrachteter Schnee
  • Altschnee: Schwachschneeschichten innerhalb der Altschneedecke
  • Nassschnee: Wassereintrag in der Schneedecke durch Regen oder Schmelze (bei Wärme) 
  • Gleitschnee: gesamte Schneedecke gleitet auf glattem Untergrund aufgrund von starker Durchfeuchtung ab

Im Zuge der Definition der einzelnen Probleme werden mehrere Fragen beantwortet: 

  • Was ist das Problem?
  • Welche Lawinen sind zu erwarten?
  • Wo, wann und warum sind diese wahrscheinlich?
  • Wie erkenne ich das Problem im Gelände?
  • Wie verhalte ich mich, wenn das Problem auftritt?

Tipp: Um Gefahrenstellen und -quellen richtig zu erkennen, solltest du unbedingt mit erfahrenen Bergleuten unterwegs sein.

Zusätzliche Infos im Lawinenlagebericht

Der Lawinenlagebericht beinhaltet noch weitere, textliche Ausführungen zum Aufbau der Schneedecke. Schließlich – im letzten Teil – findet sich eine Tendenz für das Wetter und die Lawinengefahr an den folgenden Tagen. Das ist vor allem für all jene Bergsportler praktisch, die bereits zu einer Tageszeit aufbrechen, zu der noch kein tagesaktueller Bericht vorliegt.

© Tim Marcour

Welche Arten von Lawinen gibt es?

Lawinen haben vielfältige Gründe und Ausprägungen. Manche werden von Menschen ausgelöst, andere gehen spontan ab. Manche brechen linienförmig, andere punktförmig an. Der Schnee kann entweder nass oder trocken sein. Der Lawinenlagebericht beantwortet die Frage: Welche Lawinen sind mit welchem Anbruchmechanismus zu erwarten?

Folgende Arten von Lawinen entscheidet man diesbezüglich:

  • Schneebrettlawinen: Sie sind die Hauptgefahr im Winter und werden meist durch Menschen ausgelöst. Bei einem Schneebrett kommen plötzlich riesige Mengen an gebundenem Schnee in Bewegung. Ein weiteres Kennzeichen: eine flächig vorhandene Schwachschicht (Schicht mit geringer Bindung zwischen den Schneekristallen).
  • Nassschneelawinen: Hauptauslöser ist das Wasser in der Schneedecke, das diese oder Schichten davon schwächt. Nassschneelawinen können als Schneebrett oder Lockerschneelawine anbrechen. Meist passiert das spontan – überwiegend im Frühling, bei Regen oder Wärme.
  • Gleitschneelawinen: Sie entstehen, wenn der Schnee bei einem großflächigen Reibungsverlust zwischen Untergrund und Schneedecke aufgrund von Wasser abgleitet. Gleitschneelawinen werden normalerweise nicht von Menschen ausgelöst und sind besonders schwer vorhersehbar. Um dieses Lawinenrisiko erst gar nicht einzugehen, kannst du Zonen mit sogenannten Fischmäulern (Risse, die durch die gesamte Schneedecke verlaufen und den Untergrund freilegen) umgehen. 
  • Lockerschneelawinen: Ein punktförmiger Anriss und eine birnenförmige Sturzbahn kennzeichnen diese Lawinenart. Lockerschneelawinen können durch Menschen oder spontan ausgelöst werden und sind in wenigen Fällen für Wintersportler gefährlich. Dennoch sollte man bei Regen und starker Wärme wachsam sein, um nicht von einer weiter oben abgehenden Lawine mitgerissen zu werden. 

Wichtig: Entscheidend für den Abgang einer Lawine ist die Hangsteilheit.

INTERSPORT Rent Tipp

Du möchtest noch mehr über Lawinenwarnstufe und Co. erfahren? Dann besuche am besten einen Lawinenkurs! Darin erlernst du die Grundkenntnisse der Lawinenkunde gemeinsam mit Experten. Viele der Trainings beinhalten einen Praxisteil, der direkt im Gelände stattfindet. Entsprechende Angebote findest du zum Beispiel bei den Alpenvereinen oder in vielen Skigebieten.

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